Dienstag, 11. Juni 2013
Vom Genuss verehrt zu werden
ludwina, 18:08h
Ach, fühlt denn nicht jeder aufrichtige Mensch, daß er selbst größer wird, wenn er das verehrt, was wirklich über ihm steht?
Verehrt zu werden ist eine Gratwanderung zwischen unangenehmem Berührtsein, ja dem mittelalterlichen Kettenhemd einer unerwünschten Bewunderung, und dem Genuss der unbescheidenen Freude darüber zum Beuteschema deklariert worden zu sein.
So balanciert Ludwina heute auf diesem Grat, hin und hergerissen zwischen Eigenliebe und dem Genervtsein, einmal mehr Zentrum unwillkommener Aufmerksamkeit geworden zu sein.
Abhängig davon wer ihren Weg kreuzt, seine Blicke versucht unauffällig in ihre Richtung lenkt, nimmt die eine oder andere Empfindung überhand.
Die letzten zwei Tage waren einsam. Ihr "Ich" weilte noch auf der anderen Seite eines langen Tunnels und weigerte sich anzukommen.
Nicht zuletzt darum, weil ihm die liebgewonnene Verehrung des letzten Frühherbstes fehlte.
Ludwina machte sich in der Hoffnung auf den Weg, eine Woche als Ganzes verbringen zu können, ausgefüllt von einem "Ich", das die gleiche Grösse hat, wie ihr Körper und in der Vollständigkeit akzeptiert zu sein, am meisten von ihr selber.
Enttäuscht über die mangelnde Beachtung, rasselte sie mit dem Kettenhemd, verärgert darüber, dass in die Jahre gekommene Hirsche unüberhörbar in ihre Richtung röhren - ihr "Ich" demonstrativ trotzend auf der anderen Seite des Tunnels.
Lustlos und von der Tatsache resigniert, dass sich ihr "Ich" wohl diese Woche nicht mehr blicken lässt, schlägt sie Stück für Stück ihres Steines weg, ohne zu erkennen, was tatsächlich weg muss. Ohne ihr "Ich" fällt Ludwina das Arbeiten unheimlich schwer.
In der Abgeschiedenheit der Kaffeeküche (die Teilnehmer sind wohl alle keine Bürogummis) die Erlösung. Ihr "Ich" wird die fehlenden 140km herbei katapultiert und füllt seid dem ihren Körper bis zur letzten Haarwurzel aus.
Es geht nichts über eine Verehrung von jemandem, den man heimlich selber anhimmelt.
Geschrieben am 24.04.2013
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