Dienstag, 11. Juni 2013
Ludwina fährt Zug

Das Reisen führt uns zu uns zurück
Albert Camus


Schon diese Tatsache grenzt an ein Wunder, wo doch Ludwina's Liebe ihrem eigenen Auto gilt.

Doch dies ist die Geschichte, wie die Bahngesellschaft die grosse Ehre zuteil wurde Ludwina von der Stadt A in die 300km entfernte Stadt B zu befördern.

Fast den ganzen Mai verbrachte Ludwina in der Heimat ihres Herzens, einer kleinen Ortschaft, in der hintersten Ecke eines verwunschenen Bergtales, einem Tal in das niemand findet und sollte er sich doch einmal hierhin verirren, ward er niemals wieder gesehen.
Sie lebte dort ihre Kreativität aus und liess sich anhimmeln.

An diesem Ort findet Ludwina immer zur Ruhe, zu ihrem inneren Frieden und fühlt sich in sich Zuhause.

Das ging auch dieses Mal sehr gut. Aber nur bis zur letzten Woche.
In der letzten Woche ihres Aufenthaltes war Ludwina etwas nervös. Sie war enttäuscht, wenn "sie" nicht zum Nachtessen kam, hoffte dass "sie" ihre Pausen mit Ludwina verbringen würde...
Und doch: Ludwina ignorierte weiter, was sich heimlich bei ihr eingeschlichen hat.

Am letzten Abend wurde Ludwina mit dem literarischen Pflock mundtot geschlagen und zwar mit ihren eigenen Worten: "Du sagst ja selber, man müsse dich erschlagen, dass du merkst, dass man sich für dich interessiert". Voilà!

Ludwina war also mundtot, was einer eingehenden Analyse bedarf. Sie wusste nichts zu sagen, weil sie nicht erschrak. Sie war ohne Worte, weil sie die Frau neben sich sehr gut mochte und sich darüber nicht einmal wunderte. Sie schwieg, weil sie völlig verwirrt war, dass es sein konnte, dass sie gleichzeitig einen Einheimischen anhimmelte.

Da sich Ludwina versprochen hat, sich selber kennen zu lernen und endlich zu leben, sitzt sie nun im Zug, schaut nervös alle paar Minuten auf die Uhr, um festzustellen, dass es noch immer eine Stunde Fahrt ist, oder eine Minute weniger.


Geschrieben am 8. Juni 2013

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Vom Genuss verehrt zu werden


Ach, fühlt denn nicht jeder aufrichtige Mensch, daß er selbst größer wird, wenn er das verehrt, was wirklich über ihm steht?
Thomas Carlyle (1795 - 1881)


Verehrt zu werden ist eine Gratwanderung zwischen unangenehmem Berührtsein, ja dem mittelalterlichen Kettenhemd einer unerwünschten Bewunderung, und dem Genuss der unbescheidenen Freude darüber zum Beuteschema deklariert worden zu sein.

So balanciert Ludwina heute auf diesem Grat, hin und hergerissen zwischen Eigenliebe und dem Genervtsein, einmal mehr Zentrum unwillkommener Aufmerksamkeit geworden zu sein.

Abhängig davon wer ihren Weg kreuzt, seine Blicke versucht unauffällig in ihre Richtung lenkt, nimmt die eine oder andere Empfindung überhand.

Die letzten zwei Tage waren einsam. Ihr "Ich" weilte noch auf der anderen Seite eines langen Tunnels und weigerte sich anzukommen.
Nicht zuletzt darum, weil ihm die liebgewonnene Verehrung des letzten Frühherbstes fehlte.

Ludwina machte sich in der Hoffnung auf den Weg, eine Woche als Ganzes verbringen zu können, ausgefüllt von einem "Ich", das die gleiche Grösse hat, wie ihr Körper und in der Vollständigkeit akzeptiert zu sein, am meisten von ihr selber.

Enttäuscht über die mangelnde Beachtung, rasselte sie mit dem Kettenhemd, verärgert darüber, dass in die Jahre gekommene Hirsche unüberhörbar in ihre Richtung röhren - ihr "Ich" demonstrativ trotzend auf der anderen Seite des Tunnels.

Lustlos und von der Tatsache resigniert, dass sich ihr "Ich" wohl diese Woche nicht mehr blicken lässt, schlägt sie Stück für Stück ihres Steines weg, ohne zu erkennen, was tatsächlich weg muss. Ohne ihr "Ich" fällt Ludwina das Arbeiten unheimlich schwer.

In der Abgeschiedenheit der Kaffeeküche (die Teilnehmer sind wohl alle keine Bürogummis) die Erlösung. Ihr "Ich" wird die fehlenden 140km herbei katapultiert und füllt seid dem ihren Körper bis zur letzten Haarwurzel aus.

Es geht nichts über eine Verehrung von jemandem, den man heimlich selber anhimmelt.


Geschrieben am 24.04.2013

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Montag, 26. März 2012
Ludwina geht mit der Zeit


Pater ignosce illis, quia nesciunt quid faciunt!

"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!"

Lk 23,34 EU


Ludwina ist wieder single. Sie hatte genug von ihm, als er infolge ihres mystischen Gruselns immer wieder psychisch zermürbende Szenen machte. Er hat sich zurück gezogen, alle Treffen abgesagt, an einem Tag schrieb er ihr Liebeserklärungen, ganz modern per SMS, am nächsten Tag machte er ihr Vorwürfe - er ging dabei mit der Zeit und schiss sie (ihr entschuldigt meine Ausdrucksweise) zusammen, per SMS - und am übernächsten Tag wollte er sich wieder Treffen, wobei er dieses Treffen auch wieder absagte.
So liess sich Ludwina vom Zeitgeist unserer Gesellschaft verführen und machte Schluss, per SMS.

Die abgesagten Treffen, hätten jeden halbwegs normalen Menschen auf das gröbste genervt. Aber bei Ludwina ist die Situation doch noch etwas spezieller. Obwohl ihr Klinikaufenthalt doch schon fast ein Jahr her ist, braucht Ludwina zur weiteren psychischen Genesung eine engmaschige Tagesstruktur. Für die Treffen mit ihm, strukturierte sie jeweils ihre Tage mit der Selbstverständlichkeit um, wie es sich in einer jungen Beziehung gehört. Rücksichtslos wie er war, schickte er ihr (ach, wie modern) zehn Minuten vor dem Treffen eine SMS, es werde eine Stunde später und eine Stunde später kam die nächste SMS, es werde nochmals später und wiederum zehn Minuten vor dem Treffen sagte er dann schliesslich ganz ab.

Zwei Wochen nach Ludwina's unreifem Verhalten, per SMS Schluss zu machen, trat er mit ihr erneut in Kontakt. Natürlich - ihr werdet es bereits geahnt haben - per SMS. Ob sie sich aussprechen könnten, sie habe ihn verletzt.
Ludwina hatte zu diesem Zeitpunkt die Geschichte schon lange hinter sich gelassen. Trotzdem war sie bereit sich mit ihm zu treffen, um ihm klar zu machen, was ihrer Meinung nach falsch lief. Daraufhin fing das ganze SMS-Hin-und-her von neuem an. Sie musste entscheiden, wann sie sich treffen sollten, sie musste entscheiden, wo sie sich treffen sollten und weil sie nicht schnell genug war einen Treffpunkt zu nennen, sagte er ihr das Treffen kurzfristig wieder ab, er habe sich bereits in seine Sportklamotten gestürzt und gehe jetzt zum Sport.
So kam es, dass Ludwina und ihre überstrapazierte Gutmütigkeit den renitenten Sportler erst am nächsten Tag zu sehen bekamen. Fünf Minuten vor dem Treffen dann eine weitere SMS von ihm. Er habe ein paar Minuten Verspätung.

Erstens: Ludwina wäre, hätte sie die Idee eines Treffens ausgebrütet, wäre sie diejenige, die noch Interesse an ihm gehabt hätte und hätte sie im Vorfeld den ganzen Mist gebaut, am ersten Tag schneller aus der Sportkleidung gewesen und vor seiner Türe gestanden, als man Amen buchstabieren kann. Zweitens: Ludwina wäre, hätte sie die Idee eines Treffens ausgebrütet, wäre sie diejenige, die noch Interesse an ihm gehabt hätte und hätte sie im Vorfeld den ganzen Mist gebaut, am zweiten Tag zehn Minuten zu früh am vereinbarten Treffpunkt gewesen.

Fazit dieses Treffens: Er glaubt ihr nicht, dass sie kein Interesse mehr an ihm hat. Was Ludwina die linke Augenbraue hoch ziehen lässt, da er ihr während der Beziehung auch nicht glaubte, dass sie Interesse gehabt hatte.

Ludwina ist wieder single, aber so was von!

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Sonntag, 22. Januar 2012
Ludwina's Sorgen


Wenn man ständig über seinen Sorgen brütet, schlüpfen sie irgendwann aus.

Quelle: Nicht nachweisbar


Ludwina sieht ihn wieder, was erstens nicht erstaunlich ist und zweitens nicht ohne widerliche Umstände geht. Er wohnt in einer Stadt, die sie nicht kennt und in einer Strasse, die auf dem ausgehängten Stadtplan nicht aufgeführt ist. Das einzige was sie hat, ist seine Adresse und ein leerer Mobile-Akku. Fast eine Stunde fährt sie im Kreis, bis sie zu ungeduldig wird und bei einem Edelrestaurant Halt macht, um dort nach einem Akku-Ladegerät zu fragen. Nach zwanzig Minuten, etlichen schrägen Blicken, einem geladenen Akku und damit einem funktionierenden Navigationssystem kommt sie endlich bei ihm an.

Aber dies sollen nicht die einzigen Widerstände gewesen sein.
Ludwina's Hirn spielt plötzlich verrückt. Sie hat sowieso schon einen enorm nüchternen Tag. Schon die ganze Zeit fragt sie sich, warum sie ihm gegenüber plötzlich keine Gefühle mehr hegt, warum das Strohfeuer schon herunter gebrannt ist und was sie an ihm stört. Sie überlegt sich auch, ob sie vielleicht einfach nur Angst hat und deshalb dissoziiert und damit ihr Gefühlsleben wieder einmal mehr von ihrer Existenz abkoppelt.

Er und Ludwina haben es schön, sie geniesst seine Zärtlichkeiten, als die elenden Sorgen und Gedanken anfangen Tango zu tanzen.

Interessant, was man sich im dümmsten Augenblick überlegen kann. Da ist die Sorge um den Fuss, der zum Himmel stinkt, die Beine die das eine oder andere Haar aufweisen (ist ja Winter, Pelz ist angesagt), die Unterwäsche der Kategorie Oma, verwaschen und am Rande durchlöchert, und nicht zuletzt seine Kinder die im Nebenraum schlafen.

Beim nächsten Kuss drängt sich plötzlich Ludwina's Exfreund (nennen wir ihn "den Mann", er wird möglicherweise noch öfters erwähnt werden) zwischen die beiden. Sie beginnt zu vergleichen, erkennt Unterschiede, analysiert diese und vergisst, dass sie eigentlich von einem ganz tollen Mann geküsst wird. Krampfhaft versucht Ludwina sich wieder in die Gegenwart zurück zu holen, als sich ein weiterer Exfreund zwischen die zwei sich küssenden drängt.

Jetzt reicht's!!!!!

Ludwina steht auf und geht nach Hause. Zu viert knutschen macht einfach keinen Spass.

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Freitag, 20. Januar 2012
Ludwina's grosser Zeh


Wer sich auf die Zehen stellt, steht nicht fest

Lao-Tse über Eitelkeit


Ludwina hasst Käsefüsse. Peinlich berührt versucht sie den Duft, der von ihrem linken Fuss aufsteigt zu ignorieren. Es funktioniert nicht.
Der Fuss, hübsch in einer Kuschel-Socke und einer Plastikschiene verpackt stinkt literarisch zum Himmel. Dem Plastik, täglich 2x mit Scheuermittel behandelt, ist es wohl egal, dass die verknallte Ludwina gerade jetzt keine Stinkefüsse gebrauchen kann.

Ludwina knirscht mit den Zähnen. In einer Anwandlung von übertriebenem Aktivismus, versuchte Ludwina vor einer Woche ihren Schreibtisch auseinander zu nehmen - alleine. Der Schreibtisch gewann. Wie kann man auch nur so blöd sein und ein gefühltes 500kg schweres Ungetüm alleine auf die Tischplatte kehren zu wollen, um ihm danach mit Schraubenzieher auf den Leib zu rücken?

Wie gesagt, der Schreibtisch gewann, vorerst. Er begann auf dem glatten Boden zu rutschen. Erst langsam, dann immer schneller und ehe es sich Ludwina versah, trat die Tischkante, alles andere als sanft, mit ihrem grossem Zeh in Kontakt. Das dumpfe Aufprallen hallte durch all ihre Hirnwindungen, innert Sekunden hin zum Schmerzzentrum. Ergebnis: Ein gebrochener, unangenehm gequetschter Zeh und eine vor sich hin miefende Plastikschiene.

Ludwinas Fazit: Zum Glück sind nicht alle Kontaktaufnahmen so schmerzhaft.

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